Am 8. Juli machten sich knapp 50 Interessierte aus ganz Unterfranken auf den Weg in den Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim. Dort setzen die Kommunen Langenfeld, Uehlfeld und Burghaslach auf innovative Projekte, um ihre Gemeinden lebendig und zukunftsfähig aufzubauen. Die Exkursionsgruppe, bestehend aus Bürgermeistern, Gemeinderäten und weiteren regionalen Akteuren, erfuhr hier, wie mit Mut und Gemeinschaftssinn gelungene Innenentwicklung umgesetzt wird. Dadurch können Freiflächen am Ortsrand unbebaut bleiben für Hochwasserschutz und Landwirtschaft.
Langenfeld: Kommunalisierung der gesamten Daseinsvorsoge
Erster Halt war die Gemeinde Langenfeld. Dort empfing Bürgermeister Reinhard Streng die Teilnehmenden im Mehrgenerationenhaus Dorflinde. Im Rahmen eines Vortrags mit anschließendem Ortsrundgang wurden die Meilensteine der kommunalen Entwicklung sichtbar. Die Dorflinde ist eine umgebaute Scheune und laut Streng das „gemeinsame Wohnzimmer“ des Ortes. Hier finden seit Langem vielfältige Angebote statt – von Seniorentreffs über Krabbelgruppen bis hin zu günstigen Mahlzeiten. Besonders wichtig ist die integrierte Tagespflege, die Senioren ein weitgehend selbstständiges Leben im eigenen Zuhause ermöglichen soll. Denn der demographische Wandel, betonte der Bürgermeister, ist für jede ländliche Gemeinde eine künftige Mammutaufgabe. Sie erfordert schon jetzt Lösungen. Die Dorflinde lebt vom ehrenamtlichen Engagement und wurde aufgrund ihrer Prominenz bereits von Angela Merkel und Ursula von der Leyen besucht.
Nach dem Motto „Kommunalisierung der gesamten Daseinsvorsorge“ wurde auch ein Dienstleistungszentrum geschaffen: Im Dorfladen Langenfeld – einer umgebauten Zimmerei – finden sich fußläufig eine Arztpraxis, Physiotherapie, ein Lebensmittelmarkt mit regionalen Produkten, Poststation, Bäckerei und ein Geldautomat. Das Fortbestehen des Dorfladens sichern 300 Genossenschaftsmitglieder aus der Gemeinde. Bürgermeister Streng unterstrich die Bedeutung der „Rollatordistanz“ als Maß für die Teilhabe in seiner Gemeinde: „Räumliche Nähe ist eine unverzichtbare Voraussetzung für ein attraktives Leben in jedem Alter.“ Deshalb entstanden in unmittelbarer Nähe zum Dorfladen auch barrierefreie Wohnungen und eine ambulante Wohngemeinschaft.
Ein besonderer Erfolg dieser Projekte ist, dass sie maßgeblich dazu beigetragen haben den Rückgang der Einwohnerzahlen in Langenfeld zu stoppen. Die Gemeinde hat es geschafft, wieder attraktiver für Jung und Alt zu werden. Eine der jüngsten Errungenschaften ist eine neu eröffnete Eisdiele mit dem Namen „Lara’s Dorfeis“, die ebenfalls in ein Bestandsobjekt eingezogen ist. Weitere Ideen befinden sich schon in der Pipeline. Streng sprach auch über Gegenstimmen aus der Bevölkerung, doch heute sieht er vor allem den Erfolg. Er resümierte: „Man muss Mangel erleben, um zu wissen, was man hat!“. Darüber hinaus machte er den anwesenden Kolleginnen und Kollegen Mut, ähnliche Wege zu gehen: „Unsere Philosophie passt überall – aber die Umsetzung wird überall anders verlaufen!“.
Uehlfeld: Sinnvolle Nachnutzung von Gewerbebrachen
Der zweite Stopp führte in den Markt Uehlfeld, der nicht nur rund 200 Störche, sondern auch etwa 3.200 Einwohner beherbergt. Dort traf die Busgruppe Bürgermeister Detlef Genz am Rathaus, das aus einer ehemaligen Molkerei entstanden ist. Das Gemeindeoberhaupt begleitete die Unterfranken durch den Ort. „Aktuell müssen wir zwei Kindergärten erweitern. Ob der Zuwachs an den Störchen liegt, können wir nicht sagen“, scherzte Genz. Vielleicht liegt die positive demographische Entwicklung stattdessen an den tragfähigen Strukturen, die schrittweise geschaffen wurden. Medizinische Versorgung gewährleistet das Ärztehaus, welches aus einer alten Schuhfabrik entwickelt wurde. Ein verdichtetes neues Wohngebiet mit 60 barrierefreien Wohnungen entstand auf einem brachliegenden Sägewerksgelände. Ein regionaler Bauunternehmer hatte sich damals als Investor angeboten. Der „Regionalmarktplatz“ – ein NORMA-Markt mit Bäckerei, Post, Lotto und einem Geldautomaten – findet sich in der Ortsmitte wieder. Die zugehörigen Parkplätze sind öffentlich und können auch am Wochenende genutzt werden. „Davon profitieren unsere Geschäfte und Brauereien im Innenort“, so Genz. „Und an Silvester steigt hier auf dem Parkplatz die Party“, ließ er wissen. Die genannten Gebäude werden zudem durch ein Nahwärmenetz aus der gemeindeeigenen Energiescheune versorgt. Aufgrund der hohen Auslastung sucht der Bürgermeister einen weiteren Standort, um die Kapazität bald zu erweitern.
Burghaslach: Schaubrauerei und Kulturtankstelle im Steigerwald
Als dritte und letzte Station wurde der Markt Burghaslach besucht. Bürgermeister Armin Luther zeigte den malerischen Ortskern und die sogenannte „Kulturtankstelle“ – das kulturelle Zentrum, in dem von Yoga über Seniorengymnastik und Theater vieles stattfindet. Dass es sich dabei um ein ehemaliges Tankstellengebäude handelt, ist nicht mehr zu erkennen. „Wir müssen nicht für jede Aktivität in die Stadt fahren.“, berichtete er stolz. Auch der angrenzende Bauhof wurde auf der Gewerbebrache errichtet. Ein besonderes Highlight war die Besichtigung der Schaubrennerei „das.herzstück“, die in der Corona Zeit fertiggestellt wurde. Dank verschiedener Förderprogramme des Freistaats Bayern und der EU konnte die Familie Heß / Finster-Hofmann das ehemalige Brauhaus und den Getränkemarkt in eine moderne Schaubrennerei, sieben Mietwohnungen unterschiedlicher Größe und zwei Ferienapartments verwandeln. Bei Kaffee und Kuchen erzählten die Inhaberin und ihr Vater von den Herausforderungen und Fortschritten. Anna Heß, die „das.herzstück“ aus dem Getränkemarkt ihrer Eltern entwickelte, brachte es dabei ehrlich auf den Punkt: „Natürlich hatten wir super Handwerker und eine großartige Architektin. Aber ohne Eigenleistung durch meine Schwiegereltern und Eltern sowie die Städtebauförderung und LEADER war es nicht möglich.“ Ihr offenes Fazit zeigte, wie wichtig personelle und finanzielle Unterstützung für erfolgreiche Projekte sind.
Die Busexkursion zur Innenentwicklung stieß insgesamt auf große Begeisterung bei den Teilnehmenden. Bürgermeister Helmut Krämer aus Giebelstadt war mitgefahren, um gelungene Beispiele kennen zu lernen. „Die ambulante Wohngruppe war hochinteressant! Es ist spannend, wenn Protagonisten aus eigener Erfahrung berichten, wie die Prozesse laufen.“ Und auch Bürgermeisterin Sonja Rahm aus Schönau a.d.Brend bestätigte zum Schluss „Ein gutes Format! Die Veranstaltung bietet Vergleichbarkeit für kleine Orte wie unseren. Ich kann das 1:1 aufnehmen.“
Text: Anne Weiß und Sarah Hauck