Das Flächensparmanagement der Regierung von Unterfranken lud am 18. Oktober 2021 gemeinsam mit dem Landratsamt Main-Spessart alle Landkreisgemeinden sowie Kreis- und Stadträte zu einem „Runden Tisch zum Flächensparen“ in die Alte Turnhallte in Lohr am Main ein. 37 Teilnehmende informierten sich unter Hygienebedingungen über die Problematik der Flächeninanspruchnahme im Regierungsbezirk, über planerische Lösungsansätze, Innenentwicklungsprojekte und kommunale Best-Practice-Beispiele. Möglichkeit zum Austausch gab es im Foyer mit einer regionalspezifischen Ausstellung zum Thema Flächensparen.
Landrätin Sabine Sitter begrüßte alle Anwesenden im großen Tagungssaal mit dem Appell, auf gemeinsame Strategien zu setzen und mit offenen Augen durch Nachbarkommunen zu laufen. Dort ließen sich oft gute Beispiele der Innenentwicklung besichtigen. Sie selbst habe ein Bestandsgebäude im Altort saniert und wolle andere Bauwillige für ein solches Projekt ermuntern. Ohne die Motivation zur praktischen Umsetzung des Flächensparens auf Gemeindeebene sei die Annäherung an staatliche Zielsetzungen nicht realistisch.
Um welche Zielsetzungen es sich dabei handelt, erläuterten die Flächensparmanagerinnen Marina Klein und Anne Weiß von der Regierung. Im Zuge der bayerischen Flächensparoffensive wurde seitens der Landesregierung ein Richtwert von 5 Hektar pro Tag im Landesplanungsgesetz verankert, welcher bis zum Jahr 2030 erreicht werden soll. Die Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen der Flächensparmanagerinnen wollen das Erreichen dieses Richtwertes unterstützen und Kommunen zu einer nachhaltigen und bedarfsgerechten Siedlungsentwicklung beraten. Sie stellten Maßnahmen im Bereich Wohnen und Gewerbe vor, die einen geringeren Flächenverbrauch erzielen können, etwa Nachverdichtung, barrierefreies Wohnen, Geschosswohnungsbau oder multifunktionale Flächennutzung mittels Tiefgarage und Dach-Photovoltaik.
Von der Theorie in die Praxis ging es mit einem Beitrag des Landratsamtes Main-Spessart. Tanja Reder, Leiterin des Sachgebietes Baurecht machte deutlich, dass Bauleitplanung zwar Zeit und Geld kostete, sich jedoch aufgrund der Steuerungsmöglichkeiten lohne. So könne man etwa Einzelhändler zur effizienten Planung von Stellplätzen verpflichten und dadurch Flächen einsparen. Ebenso sprach sie das Thema „verdeckter Leerstand“ an, welchem wegen des demographischen Wandels dringend begegnet werden müsse. „Suchen Sie den Kontakt zu uns am Landratsamt. Wir entwickeln die Ideen mit Ihnen weiter – fast aus jedem Grundstück ist noch etwas rauszuholen. Wir sind offen für innovative Planung“, bot Reder an. Dass das Landratsamt bereits erfolgreiche Projekte zur Förderung der Innenentwicklung vorantreibt, zeigten die Regionalmanagerinnen Saskia Nicolai und Dr. Tatjana Reeg. Das Handlungsfeld wird seit 2010 kontinuierlich bearbeitet, u.a. wurden Innenentwicklungstage, Best-Practice-Broschüren, Videoclips, eine Informationsplattform zu Förderungen, ein Leitfaden zu gemeinschaftlichem Wohnen und eine Immobilienbörse auf die Beine gestellt. Auch in der kommenden Förderphase sollen Projekte zu nachhaltigem Sanieren und Bauen umgesetzt werden; Anregungen von Gemeinden seien willkommen.
Greifbare Beispiele erfolgreicher Innenentwicklung stellten Bürgermeister Dr. Mario Paul von der Stadt Lohr a.M. sowie Marco Amrhein, Fachbereichsleiter Planen und Bauen der Stadt Karlstadt, vor. In Lohr gibt es seit 2010 ein kommunales Flächenressourcen-Management mit eigener Personalstelle. So gelingt es, ein Kataster über Brachen und Baulücken fortzuschreiben, Daten zum drohenden Leerstand auszuwerten oder Kontakte zwischen Bauwilligen und verkaufsbereiten Grundeigentümern herzustellen. „Dieses Instrument ist kein Allheilmittel, aber es ist sehr wertvoll, eine erfahrene Mitarbeiterin mit gutem Netzwerk stetig für die Aufgabe einsetzen zu können. Seit dem Jahr 2012 konnten wir von 230 Baulücken 55 Flächen vermitteln und bebauen“, stellte Dr. Paul fest. Er plädierte außerdem für einen klimagerechten Städtebau und dafür, die kommunale Planungshoheit als hohe Verantwortung zu begreifen. Dennoch brachte er zum Ausdruck, dass die Einführung der Grundsteuer C in Bayern ein zusätzlicher notwendiger Schlüssel zum Erfolg sei.
Marco Amrhein beschrieb mit seinem Vortrag detailliert die Quartiersentwicklung im Stadtteil Wiesenfeld, dessen Neuordnung und Aufwertung mit intensiver Unterstützung durch das ALE gelang. Er zog den Schluss, dass Innentwicklung ohne die Bereitschaft von Grundstücksbesitzern nur schwer möglich sei. Daher werden mehrfache Einzelgespräche mit Eigentümern und Grunderwerb durch die Gemeinde zum Erfolgsfaktor. Gleichsam riet er: „Es muss ein gewisser Druck aufrechterhalten werden, um Menschen zu privater Innenentwicklung zu bewegen. Großflächige Ausweisungen auf der grünen Wiese nehmen diesen Druck und damit den Anreiz zur Sanierung.“
Im Anschluss folgte ein reger Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Diskutiert wurden u.a. baurechtliche Fragestellungen, die extreme Höhe aktueller Grundstückspreise sowie die Personalknappheit bei kleinen Kommunen, welche aufwändiges Flächenmanagement erschwerten. Ebenso wurde über neue Bauformen im ländlichen Raum gesprochen und zu innovativen Ansätzen aufgerufen. Als Lösung zum Flächensparen wurden die interkommunale Zusammenarbeit und eine stärkere, landkreisweite Abstimmung benannt.
Einige folgten der anschließenden Führung zum Wohnbauprojekt „Aloysianum“ im Süden der Stadt, welche Frau Reder leitete. Das alte Aloysianum, das im Laufe der Zeit bereits als Lazarett und Schülerwohnheim gedient hatte, ist zu einem modernen Wohnkomplex mit Eigentumswohnungen umgestaltet worden. Im brachliegenden ehemaligen Klostergarten sollen nun eine Pflegeeinrichtung der AWO sowie zwei Mehrfamilienhäuser und 10 Doppelhaushälften entstehen.
Beim Runden Tisch zum Flächensparen ließ sich in der Diskussion mit Bürgermeisterinnen und Bauamtsleitern eine hohe Bereitschaft zu flächensparendem Bauen erkennen. Die nicht Verfügbarkeit von privatem Baugrund, die Wohnvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger sowie mangelnde baurechtliche Instrumente dämpften jedoch das Fortkommen beim Flächensparen. Insgesamt könne man noch viel voneinander lernen.
Im Übrigen: Die Location „Alte Turnhalle“ selbst ist gutes Beispiel der Innenentwicklung und Umnutzung, war sie bereits im Jahr 1892 als erste Turnhalle der Stadt Lohr errichtet worden. Im Jahr 2012 kaufte die Stadt sie vom TSV Lohr zurück und sanierte sie, sodass 2016 eine moderne Kulturhalle eröffnet werden konnte.